Schon mal bemerkt, wie viele Frauen sich im Juke-Genre tummeln? DJ Jana Rush: Ein Name für Kenner. Dann sehr lange nichts. Dass »Dark Energy«, das Debüt-Album von Jlin, ein so herausragendes geworden ist, hat aber eher damit zu tun, dass dessen Schöpferin nicht in Chicago zu Hause ist, sondern im benachbarten Gary. Vielleicht. Jlin hat zur Footwork-Szene gerade so viel Abstand, um ihre Musik über diese hinauszuwachsen zu lassen. Schon von den ersten Tönen an, den Piano- und Streichermotiven von »Black Ballet« im 6/8-Takt (der das Album durchzieht), ist deutlich, dass hier ein musikalisches Idiom erwachsen wird, in dem sich persönlicher Ausdruck und komplexe Durcharbeitung realisieren lassen. Spätestens neben einem Stück wie »Guantanamo« nehmen sich die Tracks ihrer Kollegen mit ihren Star-Wars-Samples wie Kinderkram aus. Jlin versieht ihre Stücke nicht nur mit langen, gewundenen rhythmischen Entwicklungen, die quasi-melodische Qualität entfalten, darin an arabische oder indische Musik erinnern. Sie setzt der explosiven Fragmentarik landläufigen Jukes (DJ Spinn bastelt in einer guten Woche 15 Tracks) nicht nur erzählerische Konstruktion entgegen (Jlin feilt gerne mal ein halbes Jahr an einem). Sie verzichtet auch auf die allgegenwärtigen Zitat-Samples und typischen Presets, erstellt ihre ganz eigene Palette. Da ist sie nicht die Erste: Auch Young Smoke, der mit ihr auf der zweiten »Bangs & Works«-Compilation debutierte, fiel mit einem ganz eigenen, zukunftsweisenden Sound auf. Bei ihr jedoch wird Juke zur Kunstform. Sollen die anderen in Crossovers mit Jungle, Trap oder Acid ihr Heil suchen. Hier: Afro-Futurismus (»Black Diamond«), China-Alarm in der geschlossenen Abteilung (»Infrared«, so hätte man sich das von Fatima Al-Qadiri gewünscht), Holly Herndon (gut versteckt in »Expand«). Ein Album voller unerbittlich abschnurrender Uhrwerke, dessen Abgründen man sich bereitwillig hingibt, wenn man sich eingehört hat: Das wird belohnt.
Dark Energy
