»Fuck You. Fucking Noise in China«, so der Titel einer 2012 veröffentlichten Dokumentation, zeigte vor allem eins: Das Scheitern seiner Macher, die chinesischen Noise-Künstlern politische Aussagen entlocken wollen. Pan Daijings Musik allerdings lebt von der Transgression und ist damit inhärent politisch. Musikalisch bezieht sich ihr Debütalbum »Sex & Disease« auf Industrial der achtziger Jahre und zeitlosen Noise – es ist ein kratziger und repetitiver Sound, den die aus Shanghai stammende Produzentin genüsslich in die Breite zieht. An manchen Stellen ist kaum mehr als ein rhythmisch pulsierendes Wabern zu hören, unterfüttert von dezent eingesetzten Chants und irrlichternden Drones. An anderen Stellen verdichten sich die scheinbar ursprungslosen Klänge zu einem nervenzerfetzenden Krach. Das allein kann herausfordern, ein Politikum an sich ist es vorerst nicht. Dieses kristallisiert sich erst im Gesamtkontext heraus, in dem neben Daijings bloßer Herkunft vor allem die von ihr anzitierten Themen wichtig sind. Sich als chinesische Künstlerin mit tibetanischer Musik ebenso wie der von chinesischen Minderheiten auseinanderzusetzen, setzt zwangsläufig ein Zeichen, ebenso wie die Beschäftigung mit Weiblichkeit und Sexualität. Der analoge Bonus-Track »Education« etwa klingt wie ein aus großer Entfernung, vielleicht sogar heimlich aufgenommer Mitschnitt eines musikalischen Rituals, das in seiner Unkonkretheit nicht nur wahnsinnig faszinierend wirkt, sondern auch ein wenig Brisanz aussprüht. Zumindest lässt Daijing solche Deuteleien zu. Ähnlich »Disease«, auf dem eine schwer verständliche Frauenstimme vor unheilsschwangerer Klangkulisse aufgelöst in ein Telefon schluchzt. Obwohl Daijings Musik ähnlich ungreifbar ausfällt wie die in »Fuck You. Fucking Noise in China« gegebenen Antworten, macht sie die Subtilität der eingeflochtenen Transgressionslust umso reizvoller. Dass sie sich sogar für den Dancefloor eignet, beweist der »Disease«-Remix von Lobster Theremin-Alumno Privacy, der dem Original zwar die Schärfe nimmt, dafür ein paar beschwingte Grooves mit einbringt und damit weniger aufmerksamkeitsheischend als Osheyacks Neuinterpretation von »Sex« ist. Die Stärken von »Sex & Disease« liegen eben nicht in der Eindeutigkeit. Was wiederum als »Fuck You« gelesen werden. Nur wem gegenüber?
Pan Daijing
Tissues
PAN