Review

Alan Lee

An Australian Jazz Anthology

Jazzman • 2015

Bislang musste ich passen, fragte man mich nach dem Namen nur eines einzigen australischen Jazzmusikers. Das ändert sich nun: Alan Lee hatte ein Gespür dafür, bekannte Stücke auf brillante Weise umzuarrangieren. Der Vibraphonist war in der Melbourner Jazzszene von den 1950er bis in die frühen 1980er Jahre hinein aktiv, nahm während dieser Zeit allerdings nur drei Studioalben als Leader auf. Die Zusammenstellung »An Australian Jazz Anthology« versammelt elf Stücke, die der Vibraphonist im Quartett und Quintett zwischen 1973 und 1974 aufnahm. Seine Version des 1967er Spiritual-Jazz-Klassikers »Little Sunflower«, bei dem das Vibraphon Freddie Hubbards Trompetenparts übernimmt, hat das Zeug zum Rare-Groove-Klassiker. Ähnlich lässig: »Comin’ Home, Baby«, ursprünglich popularisiert von Herbie Mann, und das Cover von Art Blakeys »Moanin’«. Alan Lee, dessen Sound im leichtfüßigen West-Coast-Stil grundiert, balanciert auf diesen Songs elegant auf dem schmalen Grat zwischen modalem Jazz, Fusion und Latin. Milt Jacksons sanftes »Enchanted Lady« steht hier gleichberechtigt neben dem mit tribalistischen Trommeln daherkommenden »Dance of the Adolescents«, einer furiosen Fusion-Adaption einer Igor-Stravinsky-Komposition. Der Gesang der Sopranistin Jeannie Lewis auf »Bailero« ist geradezu markerschütternd schön. »Bailero« ist einer von zwei klassisch ausgerichteten Songs, bei denen Alan Lee als Dirigent eines Streicherensembles fungiert. Dank dieser Anthologie ist Australien nun ein nicht mehr ganz so heller Fleck auf der Jazz-Landkarte.