Es liegt ein subtiler Schleier über James Booths »Human Rites« zu liegen. Keine Kratzpatina mit gefakter Kassetten-Ästhetik etwa oder schmutzige Sample-Suppigkeit, sondern ein fetter digitaler Synthie-Teppich, der eher an schwammige New Age-Musik erinnert als an House auf dem aktuellsten Stand der Zeit. Das sind die sechs Tracks auf Booths zweitem Beitrag zu 100% Silk strenggenommen auch nicht, obwohl sie in Sachen Househaftigkeit nun wirklich alles richtig machen: Die Grooves sitzen so tight beieinander, dass es sich ihnen schlecht entziehen lässt, die Melodien sind zwar reichhaltig vorhanden und doch punktgenau gesetzt und das Timing hat der Produzent aus Manchester eh für sich gepachtet. Von seinen beiden Auftaktbangern über die zwei ruhigeren Stücke im Mittelteil hin zu den Peak-Timern am Ende schafft »Human Rites« einen Spannungsbogen, der auf House-EPs nur selten zu finden ist. Was ihm zusätzlich zu Gute kommt, ist das ausgeklügelte Klangdesign Booths, der eine Art Retro-Sound ohne historische Fixpunkte schafft. Das schwirrt vielleicht ein bisschen Balearen-Sehnsucht oder »Blade Runner«-unter den satten Flächen mit, im Grunde aber sind die sechs Tracks losgelöst von aller Geschichtlichkeit und igeln sich im eigenen lushen Saft ein. Irgendwo zwischen Euphorie, schwammigem Verlangen und konturloser Schönheit hat sich James Booth sein eigenes emotionales Zeichensystem erschaffen, das sich bestens auf seine sanften swingenden House-Grooves auflegt. Das alles mit nur ein paar aus Verlegenheit heruntergeladenen Plugins auf einem schrottigen iMac. Wirkliches Talent braucht nicht zwangsläufig ein Modularsystem, um aus minimalistischen Gegebenheiten maximale Kraft zu schöpfen.
Human Rites