Gustav Mahlers Musik, so heißt es manchmal, habe bereits die Schrecken des ersten Weltkrieges vorausgeahnt. Tatsächlich zeichnen sich in der mächtigen Musik des österreichischen Spätromantikers subtile Züge ab, die auf ein dahinterliegendes Grauen verwiesen. Nicht nur das: Mahler arbeitete auch entschieden auf den endgültigen Bruch mit einer Vielzahl von Konventionen hin, der wenige Jahre nach seinem Tod 1911 von Arnold Schönberg und anderen endgültig vollzogen werden sollte. Dass Christian Fennesz sich also Mahler annimmt, scheint nur sinnig: Gemein ist beiden das Interesse für populäre Formen und ihre Entgrenzung, die Zweckentfremdung von Instrumenten und letztlich die unheilvolle Subtilität ihrer Musik, die sich in eine allumfassende elegische Schwere mantelt. Fennesz‘ »Mahler Remix« ist eine Auftragsarbeit, die der Österreicher 2011 gemeinsam mit Visual Artist Lillevan aufführte. Nachdem die vier weitgehend auf Samples von Mahlers Symphonien basierenden Parts bereits Ende 2014 vom Klangkünstler digital veröffentlicht wurden, legt sein Stammlabel Touch die palimpsestartige Performance neu auf. Palimpsestartig ist sie, weil Fennesz zum Teilen aggressiv mit krachigen Noise über die per Timestretching zu gleitenden Flächen transformierten Mahler-Akkorde überschreibt, sich stellenweiseein kratziger Feder in sie hereinschreibt. Es ist, als würde er Mahler wie sich selbst die eigentümlich Subtilität rauben wollen, um deren inhärenten Schrecken zu demaskieren. Die sehnsüchtige Gitarrenmelodie, aus der später das Stück »Liminal« von der 10“ »Seven Stars« wurde und die spätestens mit seinem letzten Album »Bécs« als »Liminality« Form annahm, klingt dagegen wie ein kurzer Moment der Klarheit und Schönheit, ein Triumpf über die Übel der Welt. Der Brennpunkt eines Werks, das zwei verschiedene und doch gar nicht so unterschiedliche zur Reibung bringt, bis Funken schlagen.
Mahler Remix