Fatima al-Qadiris Debütalbum warf ästhetische Probleme auf, die direkt zu politischen führten. Bei ihrem zweiten Album ist das umgekehrt. Aber von vorne, das heißt bei »Asiatisch« begonnen: al-Qadiris Abrechnung mit dem obskuren Subgenre-Trend des Sino Grime hatte mehr als nur einen doppelten Boden. Vielmehr stellte es auch unsere westliche Konzeption vom Verhältnis von Original (in diesem Fall: chinesischer Musik) und Kopie (Sino Grime) auf den Kopf. Daraus ergaben sich Fragen: Wieso dürfen wir uns per Ableton-Sample-Pack eigentlich bequem an den Sounds anderer Kulturen bedienen – und fangen deren nachgemachte Luxusprodukte am Flughafen ab? So fake »Asiatisch« klang, so fake sind auch die Klamotten, Uhren und Elektronikprodukte, die vom chinesischen Schwarzmarkt in unsere sorgfältig abgeriegelte Handelszonen geschmuggelt werden. Wieso, fragte »Asiatisch«, finden geistigen Diebstahl eigentlich nur dann problematisch, wenn ihn andere begehen? »Brute« hingegen setzt ein deutlicheres politisches Zeichen: Aus statischem Dröhnen und weißem Rauschen schält sich eine Stimme hervor, die Anweisungen gibt: Diese Versammlung ist aufgehoben, verlasst sofort diesen Ort oder ihr werdet verhaftet. Nach nur 30 Sekunden hat al-Qadiri mit einfachsten Mitteln das Bild eines Polizeistaats geschaffen. Das ist nicht unrealistisch. In den USA, wo al-Qadiri mittlerweile lebt, sind allein bis Ende Februar 2016 insgesamt 172 Menschen durch die Polizei ums Leben gekommen. Statistisch gesehen sind die meisten der Opfer, ebenso wie al-Quadiri, nicht weiß. »Brute« beginnt also mit einer deutlichen politischen Ansage. Leider folgt dieser keine spannende musikalische Umsetzung. »Brute« verströmt nicht mehr die Unheimlichkeit ihrer »Desert Strike«-EP aus dem Jahr 2012. In den durchaus bedrohlichen, nicht aber dringlich klingenden Hochglanzsounds des Albums findet sich keine wirkliche Referenz auf den politisch aufgeladenen Rahmen, den sich das Album selbst setzt. Hier eine Polizeisirene, dort ein weiteres Sprachsample über Foucaultsche Dystopien der Überwachung und Ordnungsgewalt – das war es schon. Das ist enttäuschend und lässt »Brute« substanzlos klingen. Die in Teletubby-Ästhetik und Schutzkleidung gewandte Figur auf dem Cover der LP bringt auf den Punkt, was al-Qadiris Zweitwerk fehlt: Einerseits die Subtilität und andererseits die konzeptionelle Kohärenz in der Auseinandersetzung mit einem höchst brisanten Thema. Wie Subversion heutzutage klingen kann, das hat »Asiatisch« vorgemacht – der Nachfolger versagt darin.
Brute