Kaum ein Name aus dem Bereich der elektronischen Musik ist so schön treffend wie das Pseudonym des ansonsten anonymen britischen Produzenten Moiré. Das schlierige und doch konturierte Miteinander von Flächen und Beats in seiner Musik bewirkt nämlich in seinen besten Momenten tatsächlich so etwas wie einen Moiré-Effekt, das heißt es eröffnen sich ganz neue harmonische Spannungen und dezente Kollateralgrooves dort, wo die Dinge über und gegeneinander laufen. »Lines + Colours« scheint dieses Programm dem Titel nach weiterzuführen, überrascht dann aber doch mit einem ungewohnten High-Definition-Sound und recht eindeutigen Strukturen. Der Opener »Red Circle (feat. Bones)« rollt über einem Four-To-The-Floor-Beat eine hüpfende Bassline aus, lässt die Claps schnalzen und weicht sonst nur mit dezent eingesetzten Verfremdungselementen wie einer neben der Spur laufenden Snare minimal von standardisierten House-Formeln ab. Ähnlich geht es mit »Brixton« weiter. Die fast schon After-Hour-mäßige Atmosphäre trägt sich fort und wird um leicht sphärische Noten angereichert. Der Stilbruch folgt mit dem Titeltrack, es ist aber lediglich ein stilistischer und kein ästhetischer: »Lines + Colours« ist ein mit Acid angereicherter Electro-Cut, der auf die großen Stifterfiguren Drexciya verweist. Fast elf Minuten rumort und plonkt es. Ein tolles Tool für Kellerraves, in denen ein Backbeat noch willkommen ist. Ganz anders »Mirrors«, das viel eher die von Moiré bekannte Verquertheit aufnimmt: Langsam steigert sich dichte, geschichtete Synthie-Vocals, bis eine Zwei-Ton-Bassline über einen verhetzten Beat eintritt und sich ein sonisches Chaos entfaltet. Da kommt er wieder zum Vorschein, der kuriose Moiré-Effekt, der diesem Künstler nicht nur sein Pseudonym, sondern auch sein Programm geliefert hat. Dass er allerdings auch konventionelle Dancefloor-Bedürfnisse stillen kann, spricht umso mehr für ihn.
Lines + Colours