Review

Wilson Tanner

69

Growing Bin • 2016

Es gibt frei nach Tocotronic ja nur cool, uncool und die eigene Befindlichkeit. Und dann gibt es da, das haben die Sportjackenrocker dereinst unerwähnt gelassen, New Age als radikale Absage an all diese Kategorien. Wilson Tanner setzen sich aus Andrew Wilson (besser bekannt als Andras Fox) und John Tanner (auch, obwohl nicht sehr bekannt als Eleventeen Eston und Hugo Gerani) zusammen und sie haben ein schmalziges New Age-Album namens »69« aufgenommen, welches alte Café del Mar-Vibes entstaubt. Sonnenuntergangsromantik, smoothe Klarinette-Soli, weiche Flächen, alles andante und gemächlich wabernd. Furchtbar? Ja, aber eigentlich vor allem genau das Gegenteil davon. Die sanften Schmusesounds der beiden Australier verweigern sich. Sie wollen nicht weh, sondern nur gut tun. Sie meinen es ernst, nicht aber sich selbst. Sie verlieren sich stattdessen im Sound. Entlang repetitiver Strukturen und mit plätscherndem Gitarrengeklimper, das garantiert wiederkommt, wie auf »69« eben alles wiederkommt. Schließlich will der Titel vermutlich auch nicht auf gegenseitige sexuelle Serviceleistungen anspielen, sondern auf das Prinzip des Einklangs, welcher sich in der ständigen Wiederholung verbirgt: Yin und Yang also. »69« ist eine in sich ruhende Platte, die im Hintergrund vorbeizieht und doch im vorderen Teil des Bewusstseins ihre Wirkung entfaltet: die von Tiefenentspannung jenseits von cool, uncool und allen Befindlichkeiten. Selbst die etwas melancholischen Töne, die vielleicht nicht von ungefähr an Gigi Masins Italo-Pop-Ambient erinnern, lösen sich behäbig in Wohlgefallen auf – Yin und Yang im ständigen Ausgleich miteinander. Weltflüchtig ist das wohl trotzdem und in jedem Fall abgrundtief käsig aber in einer verhetzten und zynischen Welt auf ganz zurückhaltende Art ein bisschen radikal.