Brad Mehldau hat die Fähigkeit, scheinbar abgenutzten Standards eine ungeahnte Seite abzugewinnen, nicht verloren. Der US-Amerikaner, der weltweit zu den bekanntesten Pianisten überhaupt zählt, machte sich mit Coverversionen von Popsongs wie »Wonderwall« und »Black Hole Sun« einen Namen. Traditionell beginnen, und sich dann langsam in eine euphorisierenden Rausch steigern, war stets das Konzept. Dieses führt der Musiker, der sich erste Sporen in Joshua Redmans Band verdiente, auf »Blues and Ballads« erneut auf brillante Weise auf. Doch ist hier deutlich mehr Raum für Introspektive, Buddy Johnsons 1945 komponierter Jazz-Standard »Since I Fell for You« ist so ein Fall. Nach der Hälfte kommt das Stück beinahe zu einem kompletten Halt, um mit einem minutenlagen Solo zu enden. Ähnlich wird »These Foolish Things« behandelt. Diese neu gefundene Sensibilität mag daran liegen, dass Brad Mehldau einen Großteil der Songs bereits auf Solo-Tourneen performt hat. Der Pianist schöpft vornehmlich aus dem sogenannten Great American Songbook; nicht fehlen darf dabei die obligatorische Beatles-Komposition (»And I Love Her“). Einen weiteren McCartney-Song, das 2012 erschienene »My Valentine«, befreit Mehldau von allem Kitsch und transformiert ihn in einen tiefempfundenen Late-Night-Blues. Elegant, elegisch, exquisit.
Blues & Ballads