Review

Jesse Osborne-Lanthier

Unalloyed, Unlicensed, All Night!

Raster-Noton • 2017

Mika Vainio sollte also der einzige Ausreißer bleiben. Die übrigen acht Artists hinter den neun EPs, verteilt auf zehn Jahre, der Unun-Serie (Releasenummern Elfeins bis Elfneun), gaben auf ihnen ihr Raster-Noton-Debüt: Darunter ließen Grischa Lichtenberger Aoki Takamasa, Kyoka und Emptyset seither auch Alben folgen. Lediglich Mika Vainio war dem Label schon lange vorher verbunden. Ein Versuchslabor war die Serie, die nun mit Jesse Osborne-Lanthiers Eintrag leider zu Ende geht, aber nicht nur für neue Künstler. Auch der Dancefloor, an den sich das Format richtete, wurde auf ihm zum Teilchenbeschleuniger, in dem so manche Vorstellungen von Noise, Groove und Struktur zur Kollision gebracht wurden. Kurz, die Platten waren Herausforderungen und Kraftfelder zugleich. Benannt nach den Ordnungszahlen der jüngsten Reihe allesamt radioaktiver Elemente, drängt sich hier natürlich auch noch das Klischee ihrer (hohen) Halbwertszeit auf. Jesse Osborne-Lanthier, im letzten Jahr mit einem gemeinsamen Album mit Grischa Lichtenberger auf Cosmo Rhythmatic aufgefallen, macht nun endlich den Zerfall zum Thema. Ganz langsam kündigt der sich an: der die Dunkelheit periodisch füllende Basspulsar hält erst die Tonhöhe nicht sauber, bald erzittert der umgebende Raum, füllt sich mit Dampf, dann stechendem Rauch, mit Tumult, konsequent bis zu Ruptur und Chaos. Andere Variante, später: sich hypnotisch nach oben schraubender Rave-Alarm, der sich unter massivem Insektenbefall zersetzt. Kaputtgeknabbert wird der Beat, dann kennt der Loop kein Halten mehr. Zwei Klassiker der Peak-Hour-Dynamik. Dazwischen zwei Klangbäder: Wie drückend kann ein weicher Puls werden? Wie streichelt die Säge? Und: Wie klingt eigentlich der Beat einer Schreibmaschine unter Wasser, wenn man auf ihr »Industrial Hip Hop« tippt – und wie lange muss sie in die Sonne, um wieder zu trocknen? Vier Tracks, die wissen, was sie wollen. Das Element zur Releasenummer fehlt übrigens noch. Meine Wette: das Album kommt schneller.