Review Dance

Function

Existenz

Tresor • 2019

Gut ein Vierteljahrhundert ist David Sumner nun Teil der Technokultur zwischen New York und Berlin – eine Zeit in der sie sich genauso verändert hat wie er. Waren die ersten EPs als Function bei Damon Wilds Label Synewave und Infrastructure New York während der 90er noch von stringentem Minimalismus dominiert, funktionierte das faktische Debüt-Album »Incubation« von 2013 bereits auf ganz anderen Ebenen. Trotz offenkundiger FL-Synthese schoben sich da in Acid getauchte Rhythmen und sparsam, aber weit aufgespannte Orbital-Pads ebenso wie Ambient organisch ins Klangbild. Kaum ein Jahr später erschien die beruhigte Kollaboration mit Vatican Shadow »Games Have Rules« und nun also ein auf 17 Tracks verteilter Querschnitt all dessen, was diesen Mann als Produzenten bisher ausgemacht hat. Eklektizistisch ist »Existenz« daher zweifellos, essenziell aber auch, weil dieses Album über 111 Minuten hinweg von robotischen Vocoder-Gesten über die DJ-Sets eines Jeff Mills bis zum quasi-spirituellen Anspruch zeitgenössischer Clubkultur sämtliche Technotropen von damals bis heute ausformuliert, ohne sich der Beliebigkeit preiszugeben. Eier braucht es für ein Unterfangen dieses Kalibers, dem Function offenkundig mehr als gewachsen ist. Denn Imitationen sind keine in Sicht. Eher gleichen Tracks wie das träumerisch pulsierende »Sagittarius A (Right Ascension)« oder die Robert-Owens-Kollaboration »Growth Cycle« einer Symbiose alter Lektionen und neuer Effektmittel. Die Produktion bleibt dabei konzis und gerade so stark mit Details angereichert, dass zu keinem Zeitpunkt eine Entscheidung zwischen Nostalgie und Innovation ausgemacht werden kann – »Existenz« ist ganz von der Gegenwart als Produkt des Gestern und Vision von morgen fasziniert. Der mit dreieinhalb Minuten kürzeste Track »The Approach« bildet das in Vollendung ab: Febrile Stakkatosynths zittern über einem dicken Dreiviertel-Pochen, beschworen aus urbanen Nebeln und kontemplativer Annäherungen an die eigene Vergangenheit. Zunächst ohne Worte, fusioniert Function in »Alphabet City« oder »Golden Dawn« dann auch mit vokaler Unterstützung seiner besseren Hälfte Stefanie Parnow Stimmungen zwischen Dämmerung und Morgengrauen. »Interdimensional Interference« lässt genau wie »Distant Paradise« sachte Ambient Trance-Vibes zu, bevor der Industrial Techno von »Vampir« den Weg für das beinahe 12-minütige Finale »Downtown 161« freimacht, in dem die eskapistische Note dieses Albums vielleicht am charmantesten präsentiert wird. Kurzum: Extensiver Genusstechno ohne Aussetzer.

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