Giulio Aldinucci ist ein umtriebiger Produzent, der neben einer Reihe von Kollaborationen vor allem durch seine Solo-LPs auf David Augusts Imprint 99Chants oder dem Berliner Label Karlrecords aufgefallen ist. Betonung auf »aufgefallen«: Die elegische Musik des Italieners dürfte zwar in den meisten Plattenläden in der Ambient-Kategorie wegsortiert werden, hat dort aber eigentlich so gar nichts verloren. Statt auf Umgebungsrauschen setzen seine zahlreichen Alben in der Regel auf Klangkonfrontation. »Shards of Distant Times« macht da keine Ausnahme. Die Arbeit mit Stimmen und choralähnlichen Sounds zieht sich durch den Backkatalog Aldinuccis, selten aber stehen sie dermaßen im Vordergrund wie in diesen sieben Stücken. Wobei Vordergrund schon wieder der falsche Begriff ist, denn eigentlich lässt Aldinucci sphärische Streicher, knisternden und granularen Noise mit Stimmmaterial zu einem erdrückenden, monolithischen Fluss zusammenlaufen. Zusammengenommen ergibt das ein überwältigendes Album, überwältigender noch als das Gros seiner Vorgänger. Denn obwohl Aldinucci weitgehend von dynamischen Modulationen absieht und für fünf oder sechs Minuten die Luft zum Vibrieren bringt, als wolle er sie platzen lassen, so schälen sich aus dem Ambient-Overload doch verschiedene Gefühle hervor und werden zunehmend verschiedene Schattierungen sichtbar. Getragen werden sie von Stimmen, die zugleich künstlich wie allzu menschlich wirken, weit entfernt und schmerzlich nah dran – Meldungen aus vergangenen Tagen etwa, eine wortlose Warnung vor dem Kommenden vielleicht. Die volle Konfrontation in jedem Fall.
Shards Of Distant Times