Review

Marvin Gaye

More Trouble

Motown • 2020

Es ist nahezu unmöglich dem Leben und Werk von Marvin Gaye noch eine unerzählte Anekdote oder eine Fußnote abzuringen. Es gibt wenige Künstler*innen, deren Musik auch noch Jahrzehnte nach ihrem (in diesem Falle tragischem) Ableben in aller Munde und Ohr sind. Und doch wagt Motown das Unmögliche mit dieser Platte: Neues vom »Prince of Soul« unter die Leute bekommen. Neu ist derweil wenig an dieser LP, ungehört umso mehr. So versammelt sie ingesamt neun weitestgehend unbekannte Versionen vom »Trouble Man«-Soundtrack. Nachdem Marvin Gaye mit »What’s Going On« ein Meisterwerk des politischen Souls im Jahre 1971 vorgelegt hatte, konzentrierte er sich für diesen Soundtrack auf musikalische Lösungen der Soundtrack-Kunst. Die Filmmusik sollte die Geschichte und das Leben der Titelfigur T spürbar machen. Um das zu erreichen übernahm Gaye die vollkommene künstlerische Kontrolle über das Projekt (das ihm alleine eine Millionen Dollar garantierte): Produzent, Komponist, Sänger in Personalunion. Die Aufnahmen bestanden aus ellenlangen Sessions in denen viel probiert wurde. Es entstanden oft fünf, sechs, auch mal sieben, unterschiedliche Takes/Versionen. Der Soundtrack ist längst Musikgeschichte, »More Trouble« nun eben die Fußnote. Und die ist durchaus gelungen. Naturgemäß sind hier viele Stellen ungeschliffen, rougher, dadurch aber auch sehr berührend. »T Plays It Cool« in der ungeschnittenen Version ist richtiger Wahnsinn, die alternative Version zu »T Stands For Trouble« ein musikalischer Diamant, der spektakulär auf einem Bongo-Teppich abgelegt wird. Hätte man nicht gedacht, das Nennenswertes noch das Licht der Welt erblicken könnte. Passiert hier aber!