Review

Emmanuelle Parrenin & Detlef Weinrich

Jours de Grève

Versatile • 2021

Die französische Folk-Sängerin und Drehleierspielerin Emmanuelle Parrenin macht bereits seit Mitte der 1970er Jahre Musik, die sich traditionelle Formen lediglich als Fundament hernimmt und darüber amtlich weirde Experimente ablaufen lässt. Dass sie für ihr neues Album den Avantgarde-Saxofonisten Quentin Rollet und den stets schwer kategorisierbaren Ghédalia Tazartès für Gastauftritte eingeladen hat, verwundert keineswegs. Dass es allerdings in Kollaboration mit Tolouse Low Trax alias Detlef Weinrich entstanden ist, schon eher. Dessen dumpfer Industrial-Dub passt sich zwar bestens bei Kreidler und Toresch ein, ergibt im Zusammenspiel mit einer exaltierten Solistin und ihrem quietschigen Instrument jedoch viel Reibung. Umso besser. »Jours de Grève« entstand während langer Sessions in Paris, dessen Alltag zu dieser Zeit von den titelgebenden Streiks geprägt war, und wurde gemeinsam von Weinrich mit Jan Schulte in Düsseldorf in seine finale Form gegossen. Der äußere Ausnahmezustand ihrer Entstehung ist den acht Stücken durchaus anzuhören, tatsächlich dringt die angespannte Stimmung durch jede Pore. Die Verfeinerungen und Feinschliffe in der Post-Production allerdings nicht: Weinrichs vorsichtig schubbernde oder aggressiv ratternden Rhythmen allein sind von einer Spontaneität, auf die Parrenin auf eine Art antwortet, die trotz gelegentlicher Effekteinsätze wie komplett aus dem Moment heraus geboren scheint. Ob Schellengerassel, Rollets pointierte Einsätze, Tazartès‘ gurgeliger Lautpoesie oder Parrenins expressive Vocals, die hier manchmal an Laurie Anderson, dort aber fast an Keiji Haino denken lassen: Es schwebt eine aufgerührte, aufrührerische Liveness über jedem dieser Tracks, ein improvisorischer und flüchtiger, jederzeit aber greifbarer Vibe. Die doch sehr unterschiedlichen Ansätze der Sängerin, die in ihrer Performance individuelle Sounds betont, und dem Produzenten, der sein Heil seit jeher in der Wiederholung findet, sie ergänzen sich auf wunderbar enigmatische und esoterische Arten und Weisen. Über 38 Minuten reißt die Verwunderung über dieses merkwürdige Miteinander dann auch nicht ab. Umso besser.