Review Rock

Tindersticks

Distractions

City Slang • 2021

Öffentliche Zerstreuung ist ungern gesehen in Zeiten knackiger Kommunikation. Deshalb setzt es auch die jahrzehntelange stilistische Stringenz der Tindersticks voraus, ein Album wie »Distractions« zu machen. Eines, das sowohl den Künsten Neil Youngs Tribut zollt (dank einer souligen Neuinterpretation seines »A Man Needs A Maid«), als auch denen von Dory Previn, Stuart Staples Musikikone aus Kindertagen (»Lady With The Braid«). Ein Album, das politische Ungerechtigkeiten anprangert (im gutgelaunten Television Personalities-Cover »You‘ll Have To Scream Louder«) und an die Anschläge auf die Pariser Konzerthalle Bataclan erinnert (»Tue-moi«). Und das alles, ohne dabei zusammenhanglos oder überladen zu wirken. Im Gegenteil. Gewohnt textversessen bastelt Staples nämlich dann auch wieder die Liebe ins Geschehen ein, die ja immer dann ihre Flüchtigkeit zu beweisen scheint, wenn sowieso gerade die ganze Welt aus den Fugen fliegt. Wir erfahren: Irgendwo zwischen »too soon, too late«, »self destruction« und »self reconstruction« sind wir gezwungen, unser Glück zu finden, indem wir uns von unserem Pech ablenken. Bleibt eben nur die Frage, ob es die Liebe ist, die uns vom Leben ablenkt, oder das Leben von der Liebe. Diese Verwobenheit der Daseinswirrnisse wackelt ohne klassisches Songskelett im repetitiven Selbstbeschwörungs-Elfminüter daher, spielt traurig-zähe Gitarren, schlüpft mal in einen lichten Groove, spricht brüchiges Französisch und lächelt am Ende zum O-Ton von Vogelgezwitscher verwegen zum Abschied, denn: »Over all, it‘s going well«.