Review

Snail Mail

Valentine

Matador • 2021

Lindsey Jordan scheint eine Menge Probleme zu haben, doch hat sie auch ein Talent: Sie kann das alles in große, großartige Songs überführen. »Baby, when I’m 30, I’ll laugh about how dumb it felt«, sang sie noch vor fünf Jahren auf der Mini-LP »Habit« und mittlerweile ist die im Jahr 1999 geborene US-Amerikanerin diesem Ziel noch nicht wirklich nahe gekommen. Vielleicht aber ist das zumindest in musikalischer Hinsicht besser so, denn nachdem sie sich mit der LP »Lush« vor drei Jahren endgültig versierte Songwriterin und Arrangeurin bewies, hat sie auf »Valentine« immer noch jede Menge zu sagen. Sie tut das mit noch mehr musikalischen Mitteln als zuvor. Nachdem sich die frühen Releases von Snail Mail noch weitgehend im Rahmen der im Bereich des Indie Rocks geltenden Konventionen bewegten – mal slackerhaft wie Pavement, laut und dann leise wie die Pixies, kratzig wie die Musik der einst auf »Habit« von ihr gecoverten Courtney Love oder groovend-introspektiv wie The Promise Ring – macht bereits der das Album eröffnende Titeltrack deutlich, dass sich die Klangpalette Jordans erweitert hat. Synthesizer und sogar Samples prägen das Gesamtbild, der früher noch so reduziert gehaltene Sound ist mittlerweile auf Stadiokompatibilität aufgeblasen. Das mag auch daran liegen, dass diese Platte nicht mit Hand in den Saiten, sondern während eines Rehab-Aufenthalts auf dem Papier entworfen wurde. Und obwohl dieses Album im Vergleich damit polierter und detaillierter klingen mag, hat Jordan ihr großes Talent nicht verloren: Mit großen Gesten viel Intimität zu schaffen, die das Persönliche zum Universellen werden lassen. Und wie heißt es noch gleich in »Ben Franklin«? »Moved on, but nothing feels true«. Ein paar Problemchen bleiben also, ein paar weitere exzellente Snail-Mail-Releases sind demnach nicht ausgeschlossen.