Mit Rockbands ist es wie mit Filmregisseur*innen: In jeder Sekunde kann man zu viel oder zu wenig machen und das Ziel so verfehlen. Dieses Ausbalancieren ist eine subtile Kunst; eine, die man schnell für selbstverständlich nehmen kann. Es muss mal gesagt werden, dass Sonic Youth diese Gratwanderung perfekt beherrschten, sie fanden stets genau den richtigen Ton – auch, wenn die einzelnen Töne meistens schief waren. Singen? Konnte hier keiner so wirklich. Doch Sonic Youth hatten eine klare Vision davon, wie (ihre) Musik auszusehen hat. Damals hauten sie eine Veröffentlichung nach der anderen raus, mit ähnlicher Geschwindigkeit springen sie auch auf ihrem 1987 aufgenommen Konzertmitschnitt »Hold That Tiger« von Song zu Song. Diese stammten größtenteils von ihrer großartigen Studioplatte »Sister«.
Mittlerweile sind Live-Alben eine verlorene Kunst und genießen bei jungen Musikfans kaum noch ansehen, was extrem schade ist. Für Sonic Youth funktioniert dieses Format jedenfalls äußerst gut. Es ist unglaublich, wie sehr man ihre Musikalität heraushören kann, obwohl das Ganze so chaotisch und krachig ist. Man hat stets das Gefühl, dass die Band ganz genau weiß, was sie hier fabriziert – das mag schwer nachzuvollziehen sein, doch im Kern des Lärms befinden sich auf »Hold That Tiger« immer richtige Songs. Diese zerfallen, zerbrechen und zerspringen zwar in tausend Teile, doch Sonic Youth sind Meister darin, diese Teile wieder zusammenzusetzen, dann wieder kaputt zu machen, und so weiter; ohne dass das langweilig wird. Nie zu viel, nie zu wenig

Hold That Tiger