Wenige Künstler*innen verkörpern die Freude am Schaffen wie Norman McLaren (1914-1987). Ab 1941 produzierte der schottische Filmemacher Kurzfilme in Kanada. Es sind wunderbare, vor Kreativität nur so platzende Stücke, die den Unterschied zwischen »pädagogisch« und »experimentell« nicht kennen. »Rythmetic« (1956) animiert arithmetische Zahlenfolgen als humorvolle Charaktere, während die Kriegsmetapher »Neighbors« (1952) echte Menschen mittels Stop-Motion-Technik animiert. In fast jedem Film probiert McLaren eine neue Technik aus. Die UNESCO hat ihn deshalb als »den einflussreichsten Animateur in der Geschichte der Animationskunst« bezeichnet.
Einer der interessantesten Aspekte seiner Kunst: der Soundtrack. Heute klingt er wie frühe synthetische Musik, voller Klicks und schräger Geräusche. Doch McLaren arbeitete zu 100% analog. Er manipulierte Film mit Bürsten, Messern und Stiften (wie er hier veranschaulicht). Nun hat Phantom Limb den Soundtrack einiger seiner Filme sowie unveröffentlichte Kompositionen als LP herausgegeben. Es ist ein faszinierendes Album, das einige erstklassige Stücke bietet. Nicht alles geht auf. Filme wie »Opening Speech« (1961) sind Meisterstücke von »physical comedy«. Doch die Tonversion ist wie ein »Looney Toons«-Cartoon als Hörspiel: eine psychedelische Erfahrung, aber nicht unbedingt unterhaltsam. Dennoch gehören »The Compositions Of Norman Mclaren« zum Interessantesten, das ich seit langem hören konnte. Neugier in Reinform.

Rythmetic: The Compositions of Norman McLaren