Records Revisited: Model 500 – Deep Space(1995)

10.01.2025
Sie nennen ihn den Godfather of Techno: Der Produzent Juan Atkins erfüllt auf seinem ersten ›richtigen‹ Soloalbum als Model 500 alles, was man sich von so einem »geistigen Vater« erwartet. Detroit in Bestform – und die Zukunft noch, zumindest potenziell, gut.

Die Welt liegt weiter im Argen, und selbst für die Verächter von Techno gilt: Wer sich auf die Sache nicht einlassen mag, wird auch für Geld und gute Worte seine ablehnende Haltung gegenüber dieser Musik kaum aufgeben. Dabei hat der Maschinen-Sound, der seinerzeit in Detroit entstand, Großes hervorgebracht und hätte ruhig schon mal vor dem Berlin Techno einen Eintrag ins Unesco-Kulturerbe bekommen dürfen.

Denn in der Motor City entwickelten in den 1980er Jahren junge Musiker wie Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson mit Drum Computern und Synthesizern ihr eigenes Amalgam aus P-Funk, New Wave und der »elektronischen Volksmusik« von Kraftwerk. Juan Atkins lieferte mit seinem Duo Cybotron auf dessen Debütalbum »Enter« von 1983 eine der Blaupausen für Techno. Songs wie »Cosmic Cars« ließen mit ihrem eckigen Funk den neuen Stil erkennen, die Single »Techno City« gab dem Ganzen einen Namen.

Wenig später trennte Atkins sich von seinem etwas rocklastigeren Mitstreiter Richard Davis und gründete das Soloprojekt Model 500. Mit der ersten Single von 1985, die er auf seinem eigenen Label Metroplex herausbrachte, kam für Atkins zusätzlich zu seiner Vorliebe für die heimischen Autos eine andere große Schwäche ins Spiel: Science-Fiction. Dazu passend hieß die Single »No UFOs«.

Allerdings sollte es zehn weitere Jahre dauern, bis es von Model 500 ein »richtiges« Album gab. Im LP-Formant waren zwar 1993 schon seine »Classics« herausgekommen, doch bei denen handelte es sich um eine Compilation von früherem Material, zu dem auch die genannte Debütsingle zählte. Neuen Stoff versammelte stattdessen zwei Jahre später »Deep Space«, auf dem sich seine Weltraumvorliebe nicht nur in den Titeln der Tracks niederschlägt.

Auf »Deep Space« hatte sich noch etwas anderes verschoben. Schuf er mit früheren Nummern wie »Night Drive (Time, Space, Transmat)« aus den Achtzigern sprichwörtliche Electro-Hymnen, hörte man jetzt hingegen Techno in der für ihn typischen Form mit vorwiegend geradlinig programmierter Bassdrum. Zugleich hat die Platte einen Space-Jazz-Groove, der den harten Kanten sanft entgegenwirkt.

Ein Sound, um sich zu verlieren – eine Zukunft, die man noch finden will

Gleich im ersten Track, »M 12 Milky Way«, den Atkins zusammen mit seinem Kollegen Kevin Saunderson geschrieben hat, treiben die Synthesizerakkorde auf einem elegant komplexen Rhythmus hinaus ins All. Der Futurismus, den Atkins in so etwas wie klassische Astronautenromantik kleidet, hat eigentlich wenig von der Dystopie, mit der Detroit Techno sonst oft assoziiert wird, als rauer Soundtrack für die Stimmung in der Stadt, die nach dem Ende der Autowirtschaft abgestiegen und immer krimineller geworden war. Auf »Deep Space« erinnern vornehmlich die Autobahnnamen am Anfang jedes Tracks an den motorisierten Stolz von einst.

Das Ergebnis ist Techno auf den Begriff gebracht als ein Weg, um Repetition in Trance zu verwandeln –– unabhängig davon, ob man nun dazu tanzt oder nicht.

Ein wenig Härte bringt Atkins dennoch durch insistierende Rhythmen ins Spiel, von der Heftigkeit eines Jeff Mills ist Model 500 gleichwohl, pardon, Lichtjahre entfernt. Zudem lockert Atkins die Atmosphäre regelmäßig auf, etwa wenn er eine Breakbeat-Soul-Nummer wie »M 37 The Flow« integriert, gesungen von Aisha Jamiel, die, unter ihrem Namen zumindest, ansonsten nicht groß auf Tonträgern in Erscheinung getreten zu sein scheint.

Die Höhepunkte, die »Deep Space« zum Klassiker machen, sind jedoch die instrumentalen Nummern. Minimalistisch gehalten, verbindet Model 500 etwa in »M 41 Warning« einen spartanisch treibenden Beat mit übersichtlich gehaltenen weiteren Sounds, die sich langsam abwechseln und dabei schleichend ineinandergreifen. Das Ergebnis ist Techno auf den Begriff gebracht als ein Weg, um Repetition in Trance zu verwandeln –– unabhängig davon, ob man nun dazu tanzt oder nicht.

Mit »M 69 Starlight« stößt Atkins dann ins Zentrum seiner Galaxie vor. Der Beat reduziert auf Bass und einen dezenten Beckenschlag, besteht der Track hauptsächlich aus einem stark gefilterten Sound, der mit knapp nachhallendem Echo durch den Orbit swingt. Aus diesem Beinahe-Nichts an Elementen schafft Atkins mit permanenter geringer Variation echte Magie zum mutmaßlich gefahrlosen Sich-drin-Verlieren. Hier war mit der Zukunft definitiv noch alles in Ordnung.