Gibt es irgendeine japanische Acid-Folk-Platte aus den frühen 1970er-Jahren, irgendein legendäres Jazz-Konzert vom 4. März 1962, irgendeine garantiert stilprägende UK-Ambient-Techno-LP, die damals zwar niemand gehört hat, die heutzutage aber unbedingt alle für 40 Euro (48 für die blau-weiß marmorierte Version) ins Kallax stellen müssen, die noch nicht neu aufgelegt wurden?
Okay, okay: Wir übertreiben natürlich, wir wissen die akribische Aufarbeitung der Vergangenheit durch all die von Herzblut angetriebenen Labels wirklich zu schätzen und haben selbst jeweils mindestens ein Dutzend blau-weiß marmorierte Schallplatten im Schrank stehen. Allerdings ist uns im Verlauf der letzten Jahre aufgefallen, dass sich die Reissue-Industrie verändert hat. Freilich werden weiterhin viele wichtige Alben und Singles neu aufgelegt, oft mit wichtigem Kontext in Form von Liner Notes und Bildmaterial liebevoll der breiten Öffentlichkeit unserer Zeit neu verfügbar gemacht.
Die Grenzen der Vergangenheit
Aber die wirklichen Perlen sind rarer gestreut als noch vor zehn Jahren, als wir am Jahresende bis aufs Blut miteinander kämpfen mussten, um unsere Longlist von über 200 tollen Reissues auf eine kompakte Shortlist in 50 Teilen herunterzudampfen. Die Vergangenheit ist kein Fass ohne Boden, das haben wir in diesem Jahr gemerkt und uns entschlossen, euch fortan nur die besten 25 Schallplatten des Jahres in dieser Kategorie vorzustellen – die wirklich essentiellsten und bahnbrechendsten, bisweilen zu Unrecht übersehen Neuauflagen des Jahres.
Von Aphex Twin bis MF Doom und Dinosaur (L, nicht Jr.) finden sich darunter freilich einige stone-cold classics, die eigentlich keiner weiteren Vorstellung bedürfen. Und allerdings auch bisher kaum oder komplett unerhörte Musik. Die Peel-Sessions von Aerial M, Emahoy Tsegué-Maryam Guèbrous »Souvenirs«, ein Heiliger-Discogs-Gral von R.N.A. Organism, die definitive Version von Tujiko Norikos bestem Album. Und so weiter, und so fort. Kurzum: Diese 25 Schallplatten brachten die wirklich wichtigste Musik der Vergangenheit zurück in die Gegenwart. Kristoffer Cornils
A Bad Diana, das die Zusammenkunft der UK-Underground-Legenden Diana Rogerson (Current 93, Nurse With Wound,) Steven Stapleton (Nurse With Wound) und Colin Potter (Nurse With Wound, Current 93, Organum). »The Lights Are On But No-One’s Home« ist ein fleischloser Knochen auf einer unbeleuchteten Straße, und doch hat man die ganze Nacht zu nagen. Man nagt sich entlang dieser Drones und des Spoken Words ins eigene Gerüst. Erleuchtung findet hier keiner. Wenn es irgendwo fiept, ist das schon das Hellste, was passiert. UNFULLFILLMENT ist der Plan dieses Werks, und er geht auf. Diese Musik nimmt. Gedankt sei ihr.
Pippo Kuhzart Zur ReviewMit »The Peel Sessions« von Aerial M kann man eine wahre Sternstunde des Postrock endlich auf Vinyl genießen. Nach Slint und Tortoise verlegte sich der Ausnahmegitarrist David Pajo zwar auf Soloprojekte wie Aerial M, hier hören wir aber eine nach einer ausgedehnte Europa-Tour bestens eingespielte Band, die mit jeder Note Synergie ausbuchstabiert. Die kantigen Riffs und strengen Strukturen werden durch ausschweifende Improvisationen gesprengt und transzendiert. Das Ergebnis: monolithisch, atmosphärisch dicht, jenseits von Raum und Zeit.
Martin SilbermannMan muss nicht darum herumreden, »Selected Ambient Works Volume 2« ist das beste Ambient-Album neuerer Zeitrechnung. 1994, als das Album zum ersten Mal veröffentlicht wurde, war es für eine neue Generation von Hörer:innen bestimmt. Aphex Twin verarbeitet Atmosphären und Texturen zu beatlosen Klangbildern, die großen Interpretationsspielraum lassen. Mal sind es Mikromelodien, die sich mehr oder weniger verändern, dann wiederum flächige Sounds, die wie Wolken langsam über die Landschaft treiben. Die Expanded Edition auf vier LPs enthält zum ersten Mal sämtliche Tracks, die vorher auf verschiedene Formate verteilt waren.
Albert KochKirk Degiorgio wird dermaßen sträflich unterschätzt, dass wir an dieser Stelle gerne eine Diskussion über eine allgemeine Verschärfung des Strafmaßes anstoßen möchten. Von allen britischen Antworten auf Detroit Techno waren seine Produktionen als As One so essentiell wie keine andere. Das Album »Reflections« wurde zwischen 1993 und 1994 in London produziert, nachdem die »Artificial Intelligence« alles verändert hatte, und weist durchaus Ähnlichkeiten mit dem aufkommenden IDM-Sound auf, ist genauso aber von jener fokussierten und doch verschwommenen Wärme geprägt, die Carl Craig erst 1997 – drei Jahre später! – meisterte. Die Jubiläumsausgabe zum 30. Geburtstag über Lapsus unterstreicht, wie zeitlos diese Platte geblieben ist.
Kristoffer Cornils Zur ReviewBrion Gysin war mit Beatnik-Prophet William S. Burroughs befreundet und holte für die Aufnahmen von »Kick« Don Cherry in sein Pariser Studio. Das musikalische Schaffen des im Jahr 1986 verstorbenen Malers und Dichters wurde aber erst so richtig nach seinem Tod aufgearbeitet. »Junk« setzt sich als Album-das-so-nie-war aus Aufnahmen zusammen, die Gysin zwischen den Jahren 1980 und 1984 mit Ramuntcho Matta anfertigte. Sie werden vom Geist des No Wave umweht, doch verzichten sie auf schnoddriges Understatement: Hier hat jemand Bock auf Funk als Punk und schert sich keinen Deut darum, dass er als Sänger immer nur in die Nachbarschaft der richtigen Töne kommt.
Kristoffer CornilsEs gibt wahrscheinlich kaum eine andere Platte, die so derart stellvertretend für Trance-Musik und die Zustände steht, die das Genre heraufzubeschwören versucht, wie »Camargue / Tokyo«. 1992 entstand dieses zeitlose Stück aus dem künstlerischen Geist des belgischen DJ und Produzenten CJ Bolland heraus. Die sanften Akkorde, die flächigen Pads und der pochende Rhythmus beider Titel laufen wie Aquarellfarben ineinander.
Wencke Riede Zur ReviewIn den Jahren 2000 und 2001 brachten cLOUDDEAD insgesamt sechs 10“ Vinyls heraus, die in den Plattenläden neben ihren obskuren, unerhörten Tracks auch optisch auffielen. 2001 kompilierte die Band die Songs dann zu ihrem Debütalbum, als Dreifach-LP. Das Album ist ein Prototyp, das nie in Serie ging, geschaffen von Prototypen, die sich gesucht und gefunden hatten – ohne großen Plan und voller Überzeugungen, mit Hang zur Dramatik und Bock auf Experimente. Einen Gattungsbegriff gibt es dafür bis heute nicht. Ist es Shoegaze Rap? Stoner Hip Hop?
Christian NeubertDer Schlagzeuger Dave Lee Jr. arbeitete mit Kollegen von Roy Ayers bis Joe Zawinul. Unter seinem Namen veröffentlichte er vor 50 Jahren dieses eine Album. »Evolution«, von Lee weitgehend allein eingespielt, verstärkt vom Gitarristen George Davis und Bob Cranshaw am Bass, besteht aus kurzen, skizzenartigen Stücken, die Grooves zwischen Funk, Spiritual und Free Jazz erkunden. Einzig das Titelstück nimmt ein Drittel der Platte ein. Das Ganze hat eine tranceartige No-Nonsense-Konzentration. Dig.
Tim Caspar Boehme Zur ReviewDen Dancefloor-Klassiker »Kiss Me Again« hat das musikalische Multitalent Arthur Russell als Dinosaur zusammen mit DJ-Legende Nicky Siano produziert, 1978 zum Höhepunkt der Disco-Ära. Bassdrum, Bassline und der exaltierte Gesang von Myriam Valle definieren den Song als Disco-Track. Aber Russell wäre nicht er selbst, würde er auf der Extended Version auf der A-Seite der 12-Inch nicht ein paar musikalische Extravaganzen und instrumentale Merkwürdigkeiten einbauen, die an seine Herkunft aus der New Yorker Avantgarde-Szene erinnern.
Albert Koch Zur ReviewAuf »Souvenirs« präsentiert Emahoy Tsege Mariam Gebru traumhafte Home-Recordings. Es ist ein besonders intimes Werk der äthiopischen Pianistin und Komponistin, die zuvor auf keinem ihrer Alben ihre Stimme nutzte. Auch musikalisch unterscheidet sich »Souvenirs«: Vogelgeräusche vor dem Fenster oder selbst das Knarren der unverwechselbaren Klavierbank erwecken den Eindruck, man sitze neben der Künstlerin.
Moritz Weber Zur ReviewJames Tenney gilt als einer der wichtigsten US-amerikanischen Komponist:innen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das muss nun nicht zwangsläufig heißen, dass seine Musik auch Spaß macht – »Postal Pieces«, ein Zyklus von auf Postkarten gedruckten Graphic Scores, tut das aber allemal. Das italienische Label Blume präsentierte Aufnahmen von fünf dieser Stücke durch das Ensemble The Barton Workshop aus dem Jahr 2004 erstmals auf Vinyl und spannt den Bogen von fiebrigem Drumming hin zu donnernden Drones. Die Unterschiede zwischen beidem werden darüber sukzessive verwischt. Ein Heidenspaß.
Kristoffer CornilsMit seinem ersten Soloalbum empfahl sich Jimi Tenor 1994 für einen Ehrenplatz in der Hall Of Fame der Outsider Music. Auf der ersten Seite von »Sähkömies« stellt der Finne seine Fähigkeiten auf dem Saxofon zur Schau, die er von dezenten elektronischen Einlagen begleiten lässt, es gibt Songs mit Heimorgel-Vibe und den Hit »Take Me Baby«, der so klingt, als würden Suicide einen Outtake von Joy Division covern. Auf der zweiten Seite bleibt das Saxofon im Instrumentenkoffer, Jimi Tenor wird komplett elektronisch – zwischen Lo-Fi, Novelty-Sound und ernstgemeinten Abstraktionen.
Albert KochJulie Tippetts begann ihre Karriere als Sängerin von getragenen Blues-Folk-Rock-Stücken mit jazziger Inflektion und Ambient-Vibes, machte ein paar Jahrzehnte später aber fast nur noch Geräusche. »Shadow Puppeteer« erschien ursprünglich im Jahr 1999 auf CD und wurde nun erstmals von Eargong auf Vinyl aufgelegt. Darauf zu hören sind 18 Stücke, die Tippetts mit sehr unterschiedlichen Instrumenten, ihrem Körper und vor allem ihrer Stimme eingespielt hat. Hier und dort leuchten ihre Wurzeln in klassischen Gesangstraditionen auf, wenn sie mit Aufnahmen ihrer Stimme einen Kanon in Bewegung setzt.
Kristoffer CornilsMinimal music, Drone, Art Rock, Shoegaze, Weltmusik – ohne La Monte Young und Marian Zazeela gäbe es diese Genres nicht. Ganz zu schweigen von Fluxus und Lichtkunst. Den Einfluss, die das Ehepaar auf die Geschichte der Kunst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten, ist fast nicht zu überschätzen. Auf »Dream House 78'17"« zeigen sie warum. Ihre Kompositionen können sich problemlos neben neueren Drone- oder minimal-music-Publikumslieblingen behaupten.
Michael Zangerl Zur ReviewEs gibt zu diesem Zeitpunkt nichts, was sich noch zu MF Doom sagen ließe, was nicht schon andere längst gesagt hätten. Die Jubiläumsausgabe von »Mm.. Food« versucht dennoch, der Legende etwas Neues hinzuzufügen, indem sie diesem von Anfang bis Ende perfekten Album noch Remixe von unter anderem »Madvillainy«-Mitstreiter Madlib und verrauschte Interview-Mitschnitte hinzufügt. Unbedingt notwendig scheint dieses Bonus-Material nicht, vier Jahre nach seinem viel zu frühen Tod aber lässt sich dem illest villain allerdings auch nicht genug huldigen.
Christian Neubert Zur ReviewIst es nicht schön, wenn wenig passiert und das ganz viel? Auf Sound Metaphors Sublabel Miss You erschien »Mes Mains«, dessen Ursprungsjahr unbekannt ist. Sein Schöpfer ist ein gewisser Nilton Castro, ein begnadeter Perkussionist, der diese afro-brasilianischen Rhythmen irgendwann im Paris der 1970er Jahre zur Untermalung der Tanzstunden seiner Frau aufgenommen haben soll. Begleitet nur von entweder einem dreistimmigen Chor, einer Flöte oder einem Metallophon. Das Ergebnis ist überraschend facettenreich.
Sebastian Hinz Zur ReviewEr war ein Wegbegleiter der Dance-House-Musik und so klingt auch diese Platte nach hedonistischer Disco- und Groove-Ekstase. Patrick Cowley ließ Ende der 1970er Jahre ein Album entstehen, das aus den Sphären einer bis dato kaum sichtbaren schwulen Subkultur erzählt. »Kickin' In« trieft vor melodiösen Synthesizern und treibenden Drumbeats, bringt Körper in Bewegung und strahlt eine wärmende Energie aus. Es ist ein Sound, der einen musikalischen Umbruch datiert und heute honoriert.
Wencke Riede Zur ReviewForm follows function war die Maxime der Bauhäusler in den 1920er Jahren. Eine Idee, die vor allem Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre auch in der Musik ihren Widerhall fand. Nicht umsonst nannte sich in Großbritannien eine Band Bauhaus. In Japan gab es zeitgleich die R.N.A. Organisation. Ein Trio, dessen Mitglieder sich 0123, Chance und Zero nannten und Stücke wie »Weimar 22« und »Matrix« komponierten. Ihr 1980 auf Vanity Records in Japan erschienenes Album »R.N.A.O meets P.O.P.O.« war lange Zeit nicht erhältlich, wurde jetzt aber von Stephan Mathieu von den Originalbändern neu gemastert und auf Mesh-Key Records veröffentlicht. Die Musik ist New Wave, unterkühlt und skizzenhaft, manchmal dubby wie auf »Yes, Every Africa Must Be Free Eternally«, dann mit der Attitüde von The Fall und tatsächlich der Stimme von Mark E. Smith auf »Say It Loud, I'm Dilettante, I'm Proud« . Musik, die nichts beweisen will. Gibt es ja heute kaum noch.
Sebastian Hinz Zur ReviewDie »clicks_+_cuts«-Bewegung beziehungsweise die zahlreichen Releases von Labels wie Mille Plateaux und raster-noton haben den Ruf eines eher verkopften Y2K-Phänomens. »Open Close Open« von To-Rococo-Rot-Mitglied Robert Lippok hat 23 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung bei raster nichts an seiner emotionalen Strahlkraft verloren, weil die drei Tracks schon damals diesem Vorurteil Lügen straften. Der hochgradig unperfekte Sound der angeblich perfekten neuen digitalen Welt wird darauf – auch dank eines sorgsam eingesetzten, von Möwengeschrei (?) begleiteten Mahler-Samples – zu einer Art Requiem für die Zukunft. Das scheint doch sehr zeitgeistig.
Kristoffer CornilsNow-Again war bislang nicht für Rap bekannt, jetzt hat sich das vornehme Reissue-Label direkt im dreckigsten Teil der HipHop-Geschichte die Griffel schmutzig gemacht: In Memphis. Shawty Pimp & MC Spade's »V.2: Gotta Get My Pimp On« gab es bislang nur auf Kassette und naheliegenderweise auch als Bootleg. Das Ding klingt, wie Memphis 1994 nunmal klang: An den genau richtigen Stellen schlampig, immer langsam aber bouncend, und direkt im ersten Track wird das Dope unter den Eiern versteckt. Shrug-Emoji.
Pippo KuhzartDiese Grooves schnurren wie Nachbars Katze auf der sonnenbeschienenen Fensterbank. Hilton Felton gilt unter Liebhabern des Rare Groove-Genres als Meister der Hammond-Orgel, schrieb Songs für La Grant Green, Lonnie Smith und Brother Jack McDuff. 1971 veröffentlichte er mit seiner Band The Three of Us »Dream Come True«. Der großartige Titelsong war bereits 2012 auf der Jazzman-Anthologie »The Best Of Hilton Felton 1970-74« zu hören. But anyway. 2024 nun das ganze Album. Zum ersten Mal seit 50 Jahren wiederveröffentlicht.
Sebastian Hinz Zur ReviewValentina Magaletti und der 2020 verstorbene Bassist und Komponist Tom Relleen veröffentlichten ihr Debüt als Tomaga im Jahr 2013 zuerst als limitierte Cassette im Eigenverlag. Wie alle rechtschaffenen experimentellen Bands verhandelt das Londoner Duo auf dem Album auf einer Meta-Ebene die Frage, was Musik überhaupt sein kann. In vier Tracks nähern sie sich der Antwort an, indem sie Steve Reich, This Heat und den Shackleton der mittleren Phase zu einem minimalistischen Klangstrom verarbeiten.
Albert Koch Zur ReviewTori Kudo ist seit nunmehr gut viereinhalb Jahrzehnten ein integraler Bestandteil der japanischen Weirdo-Folk-Pop-Improv-Szene, weshalb ihn mittlerweile seine Vergangenheit in Form von Reissues seiner zentralen Werke regelmäßig einholt – zuletzt etwa »Osaka Bridge« von Maher Shalal Hash Baz mit Bill Wells. »Tori Kudo & 3c123« wurde erst kürzlich, im Jahr 2020, erstmals veröffentlicht, die Aufnahmen von Kudo am Klavier und dem in diesem Jahr verstorbenen Klarinettisten Yasutami Kindaichi alias 3c123 wurden bereits allerdings 2009 angefertigt. Intimer Duo-Free-Jazz, durchaus freakig und doch durchgehend freundlich. Typisch Kudo.
Kristoffer CornilsDie Japanerin Tujiko Noriko hat vor allem in den frühen 2000ern avantgardistischen Electro-Pop mit knarzig-knuspriger Electronica verkuppelt. Manche Leute sollen sich damals sogar nicht dafür geschämt haben, das als Indietronica zu bezeichnen. Der Meilenstein dieser Zeit, »From Tokyo To Naiagara«, der in diesem Jahr erstmals Vinyl zu sehen bekam, verhöhnt jeden Björk-Vergleich mit seinen wunderbar-verqueren Pop-Fragezeichen. Wie sie hier die schönsten Melodien von der Seite anzickt und mit frickeligem Noise überschüttet, verdient auch 20 Jahre später Applaus.
Christopher Hunold Zur ReviewVor über 40 Jahren erschien dieser verspulte und bunte Vorläufer von House des japanischen Avantgarde-Komponisten Yoshio Ojima zum ersten Mal fernab der breiten Öffentlichkeit und lediglich auf wenigen Tapes. Jetzt, wo eigenwillige Sound-Loops, Early-80s-Electronica und Spielzeug-Samples salonfähiger werden, schaffen es die unwiderstehlichen Lo-Fi-Grooves von »Club Crystal« endlich, auch außerhalb der Nische die längst verdiente Aufmerksamkeit zu erhalten. Die Tracks wirken zu Beginn vielleicht etwas hüftsteif, finden dann aber präzise ihren Weg auf die Tanzfläche.
Christopher Hunold Zur Review