Review Dance

Various Artists

Socialist Disco: Dancing Behind Yugoslavia’s Velvet Curtain 1977-1987

Fox & His Friends • 2024

Compilation des Jahres 2024

Der neue Kalte Krieg ist schon lauwarm geworden und trotzdem träumen Menschen von einem Leben hinter dem Eisernen Vorhang. Zumindest lässt sich das mit Blick auf den schier endlosen Strom von Wiederveröffentlichungen und Compilations mit Musik aus der DDR-Untergrundszene denken, die von den immer gleichen Büchern der immer gleichen Leute begleitet werden. Aber eine andere Welt war auch damals schon möglich. »Socialist Disco. Dancing Behind Yugoslavia’s Velvet Curtain 1977-1987«, ursprünglich 2018 über das in Rijeka und Zagreb ansässige Label Fox & Friends veröffentlicht und nun endlich nachgepresst, hat auf musikalischer Ebene mehr mit der bahnbrechenden »hallo«-Serie von Amiga gemein, unterstreicht aber zugleich, dass Jugoslawien keineswegs so isoliert und repressiv war wie sein Genosse im Norden.

Die von den Labelbesitzern Leri Ahel und Zeljko Luketic fachkundig kuratierte Compilation wird von Zdenka Vučkovićs kroatischer Coverversion von Gloria Gaynors »I Will Survive« und einer Neuinterpretation von »Vamos a la Playa« von der Gruppe Opatijski Suveniri sowie einer ausgesprochen kosmischen Version von Jades »I’m Gonna Get Your Love« durch Roman Butina eingerahmt – als solle unterstrichen werden, wie offen die Föderative Republik für Einflüsse aus dem Ausland war und dabei unbändig eigenwillig blieb. Und tatsächlich sind die 18 Tracks noch dann von überbordender Experimentierfreudigkeit und einem Sinn für anarchische Subversion geprägt, wenn sie die Klänge von US-amerikanischem, europäischem und insbesondere italienischem Disco emulieren. Krunoslav Slabinacs Funk ist geradezu lysergisch, Rok Hotel verleihen der Disco eine einzigartige Punk-Energie, und selbst »Julija« vom Yu-Fußballstar Ivica Šurjak ist sonderbar faszinierend. »Socialist Disco« führt sein Publikum so von den meist akustischen Anfängen des internationalen Disco-Hypes nachgerade in die Ära der Italo-Sounds und des Synthie-Pop-Wahns und eröffnet ihm wie nebenbei einen Einblick in eine Welt der Freude aus einer Ära, die sonst nur mit grauer Beklemmung verbunden wird. Als Compilation ist »Socialist Disco« so inspirierend und subversiv wie die besten aller Disco-Platten.