Review

Various Artists

Tropicale: When The Dolce Vita Discovered Exotica, Calypso, Mambo, Samba And Other Tropical Rhythms (1959-1969)

Cam Sugar • 2024

Das Wirtschaftswunder, eine tolle Zeit. Rauchen war noch überall gestattet, an weltverbessernde Nestbeschmutzer wie Sebastian Frankenberger nicht zu denken und man pflasterte sich das hart, aber herzlich ersparte Eigenheim mit weißer Ware zu, wenn man nicht gerade seine an selbiges gefesselte Ehefrau drangsalierte. Hierzulande wird diese Epoche mit bräsiger Nüchternheit als Phase des ökonomische Aufschwungs verklärt, zwischenmenschliche Befindlichkeiten oder gar Kunst haben in dieser Erzählung nicht wirklich einen Platz.

In Italien hingegen, wo 1960 Fellinis »La dolce vita« erschien und zur Definition des – mitunter imaginierten – Lebensgefühls einer ganzen Nation wurde, verhält sich das anders, wie die Compilation »Tropicale: When The Dolce Vita Discovered Exotica, Calypso, Mambo, Samba And Other Tropical Rhythms (1959-1969)« beweist. 26 Stücke, auch von Größen wie Ennio Morricone, der mit »Bianco e nero« ein besonders einnehmendes Kleinod komponierte, illustrieren, wie das italienische Kino in den Sechzigern seinen musikalischen Horizont gen Mittel- und Südamerika erweiterte. Steeldrums, Marimbas, Flöten – alles, was für die Lounge taugt, findet sich im Klangregister dieser Veröffentlichung. Ob hier Exotismus vorliegt? Wahrscheinlich, in seiner respektvollen Naivität stößt er aber nicht sauer auf. Während diese Filmmusik in den Kinos lief, erhellte sich das Gemüt der Italiener nach düsteren Zeiten. Und, ja, auch der Geldbeutel wurde endlich wieder dicker. So sehr, dass Reisen in besagte Weltregionen sich nicht mehr als kühne Träume ausnahmen.