Das schwarze Album ist eigentlich eine Zäsur im Schaffen einer Künstlerkarriere, fragt mal Prince oder auch Jay-Z. Vince Staples‘ sechste LP »Dark Times« ist die letzte für Def Jam und sportet auf dem Cover neben einem kaum sichtbarem Strick eigentlich nur die blanke Finsternis. All black everything. Gerade mit eigener Netflix-Serie (sehenswert!) vorstellig geworden, ersinnt der Long Beacher in 35 Minuten aber keine schwarzmalerischen Abschiedsdystopien, sondern mischt seinen typisch-minimalistischen Lowrider-Boombap mit trockenhumoriger Street-Philosophie wie schon auf »Ramona Park Broke My Heart« 2022 und den Vorgängern. Seinem simplen, aber nie einfachem Inner-City-Blues fügt Vince Staples mit minimalistischem Westcoast-Bounce aber eine neue emotionale Tiefe hinzu. Denn »Dark Times« handelt von der Akzeptanz der (eigenen) Vergänglichkeit.
Was anfänglich bei »Childern’s Song« noch wie die Entschuldigung eines Ü30-Hoodboys über veränderte Lebenswelten wirkt (»Don’t play with my crippin, go play with your kids«) oder in liebenswerter Ghettoblaster-Romantik bei »Radio« eine Neigung zu Eskapismus bemerkbar macht (»Zoned in, waitin‘ for my favorite song«) mündet einleuchtend auf »Little Homies“ im Gelöbnis einer ehrlichen Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die nicht mehr zu ändern sind (»Life hard, but I go harder“). Natürlich gibt es auch Hood-Hits wie »Étouffée«, das in Sommerferienlaune der Cash-Money-/No-Limit-Ära huldigt, aber spätestens im von Santigold gesprochenem Outro »When Does The Sun Come Out? « wird klar: »Dark Times« ist keine Zäsur, sondern ein Update für Grown-Man-Rap 2024 – kohärent, in sich gefestigt und fresh af. Keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt.
Dark Times