Muss Volksmusik authentisch sein? Die serbische Sängerin Svetlana Spajic verwendet ihr Leben darauf, sich Altes neu anzueignen. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sie sich nicht nur den Ruf erarbeitet, eine moderne Meisterin traditioneller mikrotonaler Gesangstechniken zu sein. Spajic hat auch ein seltenes Gespür für lebensweltliche Bezüge. »Meine Lehrer:innen haben mir nie gesagt: ›Du singst gut…‹ So etwas existiert in der alten epischen Welt nicht. Entweder du bezeugst Wahrheit oder nicht«, stellte sie einmal fest. Doch diese Wahrheit ist alles andere als traditionell. Das Glitterbeat-Debüt ihrer Band Gordan ist abrasiver Noise, voll verzerrter Bass-Drones und hissenden Feedback-Loops. Dazu steuert Perkussionist Andi Stecher hypnotische Mid-Tempo-Rhythmen bei. Doch im Zentrum des Mixes steht Spajic‘ souveräner Gesang. Sie macht keine – für Uneingeweihte erkennbare – Zugeständnisse an die Gegenwart. Mit eiserner Miene einer Dorf-Vorsteherin beklagt sie Lawinentote, Brudermord und Kriegen im Grenzgebiet des Habsburgerreiches. Wir sind mitten in der Vormoderne – bis Spajic ein Loblied auf Nikola Tesla anstimmt. Auf »Gordan« verschwimmen die Zeiten und damit die Genres. Mal ist das Trio verspielt wie Širom, mal zerbrochen wie Lankum, mal vom Militarismus fasziniert Laibach. Nicht alle werden Gordans repetitives, nicht-lineare Songwriting ins Herz schließen. Wer sich darauf einlässt, wird jedoch mit einer Wahrheit konfrontiert. Die alte Welt ist verloren, die neue noch nicht da.
Gordan