Afrobeat aus Köln: Muito Kaballa sind mehr als ihr Youtube-Hit

02.01.2024
Foto:© Batov Records
Auf der Straße fing es an, auf YouTube ging es weiter: Das Projekt Muito Kaballa des Kölners Niklas Mündemann hat einen Internet-Hit gelandet und gleichzeitig noch viel mehr zu bieten. Das beweist ihr neues Album.

Manchmal ist er gut zu uns, der Algorithmus. In den letzten Jahren hat er einige Perlen zu Tage geschwemmt: Die Wiederentdeckung der japanischen Komponist:innen Midori Takada und Yasuaki Shimizu kam bei Youtube ins Rollen, auch Mort Gasons »Plantasia« oder die Musik von Aksak Mabouls fand über die Video-Plattform neue Hörer:innen. Doch nicht nur das Material beinaher vergessener Interpretinnen und Interpreten von damals, sondern auch neue Künstler*innen gelangen über die verschlungenen Pfade aus Nullen und Einsen zu Hörerschaft: Yin Yin, Altin Gün – und zuletzt auch Muito Kaballa.

Ein umtriebiger Youtuber, der anscheinend auch vom Werk des argentinischen Autoren Roberto Bolaño beeinflusst ist, fand deren Langspieler »Mamari« in den Weiten des Netzes und gab der Gruppe einen ordentlichen Anschub. Stand Dezember 2023 haben fast 700.000 Nutzer dieses Afrobeat-Kleinod angeklickt, gehört, genossen und bestimmt auch gekauft. Das ist zumindest zu hoffen, denn bis dato ist das mit der Monetarisierung nicht ganz so einfach. Niklas Mündemann, Urheber, Komponist und Saxofonist der Band bestätigt im Gespräch, dass es für den kleinen großen Youtube-Erfolg eben »Keinen Cent!« gab.

Guerilla Soundbombing

Trotzdem sind Mündemann und seine Mitstreiter:innen zufrieden, denn es hat dem Projekt Anschub geleistet und, so scheint es, auch dabei geholfen das derzeitige Gewand, die jetzige Form anzunehmen. Denn in den Anfangstagen war Muito Kaballa ausschließlich das Ein-Mann-Ding des in Köln lebenden Mündemann gewesen. Beeinflusst von Jazzabenden in einem berühmt-berüchtigten alten Kellerclub der Domstadt, dem Stecken, wo die Kölner Beatscene-Instrumental-Crew um Twit One und Houdini zu Hause waren, wandte sich Mündemann den Möglichkeiten des Produzierens zu. Mit der Hörerfahrung von Jazz, von Instrumental-Hip-Hop und Organic Grooves, und vor allen Dingen durch die Re-Issues großer Platten aus dem Bereich High-Life und Afrobeat entstand »Everything is Broke«, der eigentliche Debüt-Langspieler, der aber heute gewissermaßen aus der Diskografie rausfällt.

Erschienen ist das Debüt 2019. Zwei Jahre zuvor verdient Mündemann seine Sporen als Straßenmusiker. Ein Fahrradanhänger hat er für diese Zwecke umgebaut, allzeit bereit in Sekunden eine kleine Konzertbühne zu werden. Er nannte das damals ›Guerilla Soundbombing‹. Es ergaben sich aus diesem Spaß Bookings für Hochzeiten und Street Food-Festivals, später dann richtige Bühnen und eben die Debüt-LP. Spuren dieser Zeit lassen sich gleichwohl auch heute noch ausmachen. Immer wieder tauchen die feinen Chordprogressions des Be-Bop, des Blues im Rhodes-Piano auf, werden durch High-Life-Gitarren unterstrichen, der Beat erinnert an Tony Allen und Konsorten. Bläser-Antworten hier, Bassläufe da, eine internationale Coolness, die mittlerweile auch afro-karibische Sounds und südamerikanische Rhythmen inkorporiert.

Mündemann bestätigt, dass der Begriff der Synthese seinem eigenen musikalischen Ansatz schon recht nahe kommt. Er und seine Mitstreiterinnen wollen immer weiter sammeln, zusammenfügen, vereinen, Neues hinzumischen. So lässt sich auch die Entwicklung des ganzen Projektes verstehen, das sich seit »Mamari«, dessen Wurzeln im Afrobeat noch viel deutlicher waren, merklich geöffnet hat. Ihr aktuelles Album sei dabei eine wichtige Wegmarke: »Like A River« bildet auch den Versuch ab einen ganz eigenen Sound zu finden und zu prägen. Eine Entwicklung die auch schon auf »Little Child« angefangen hat. Die Songs »Memories« und das Titelstück waren hier auf jeden Fall wegweisend.

Muito Kaballa sind weit davon entfernt, ein Youtube-One-Hit-Wonder zu sein.

Zu dem Prozess gehört auch eine Öffnung in die Band hinein: Das beginnt nicht nur beim Arrangement, wo die Band sich bei zunehmender Eingespieltheit mehr und mehr selbst verwaltet, sondern auch beim Songwriting: Es gab und gibt aber immer auch Stücke die von der Bassist*in Luna Weise mitgebracht werden. Außerdem hat Benjamin Schneider – Gitarrist – das erste Mal ein Stück beigesteuert: »Once I’ve Learned«, verrät Mündemann. Zur Ungerechtigkeit des Algorithmus gehört indessen, dass sich Erfolg nicht einfach reproduzieren lässt, weswegen diese super interessante Entwicklung der Band nicht mehr alle der 700.000 Listeners mitbekommen werden. Dabei lohnt es sich sehr in das aktuelle Album reinzuhören, denn Muito Kaballa sind weit davon entfernt, ein Youtube-One-Hit-Wonder zu sein. Ganz im Gegenteil: Hier entsteht etwas Großes.