Review Jazz

jaimie branch

Fly Or Die Fly Or Die Fly Or Die (World War)

International Anthem • 2023

Im Sommer 2022 zeugten jaimie branchs Insta-Stories täglich von Wut, Bestürzung und Protest. Ein US-Bundesstaat nach dem anderen erließ gerade Anti-Abtreibungsgesetze. Kurz zuvor war »Pink Dolphins«, das dritte Album ihrer Band Anteloper mit Schlagzeuger Jason Nazary auf International Anthem erschienen, außerdem ihr Gastauftritt bei den »Medicine Singers« auf deren selbstbetitelten Debut. Da wartete das dritte »Fly or Die«-Album schon in der Pipeline, nur der finale Mix fehlte noch. Und dann plötzlich auf allen Musikkanälen das Porträt von jaimie branch. Die Ausnahme-Jazz-Trompeterin mit DIY-Punk-Attitüde war mit 39 Jahren in ihrem Apartment in Brooklyn verstorben.

Das Album, das sie uns hinterlassen hat, ist wohl das beste Mittel gegen Trübsal blasen. Mit mächtig Hummeln im Hintern spielt branchs Band auf, zu jeder Nummer lässt sich mal tanzen, wirbeln, moshen. Wenn »Fly Or Die Fly Or Die Fly Or Die ((World War))« der Synthie-Ouvertüre »Aurora Rising« startet, fächert der Pfau auf dem Cover seine Federn auf. branchs Bandmates versammeln südafrikanische, afrokubanische und lateinamerikanische Einflüsse. Über den unzähligen Mambo- und Clave-Variationen, Congas, Mbira und Klingelspielzeug zieht branchs Trompete ihre hypnotisierenden Bahnen. Dabei drängt wie auf keiner anderen »Fly or Die«-Platte branchs Stimme hervor. Ein Album, das mit unglaublicher Spielfreude der Gesamtsituation den Mittelfinger in die Visage hält.