James Ferraro – Live am 5.5. im Gold + Beton in Köln

07.05.2014
Foto:©Gold+Beton
James Ferraros Auftritt in einer neuen Kulturstätte Kölns war im Grunde unerträglich. Und genau deshalb war er so gut. Unser Autor hat einen Auftritt genossen, der, an den üblichen Parametern gemessen, ungenießbar war.

James Ferraro weiß, was du letzten Sommer getan hast: Du warst im Internet.
In schwarzer Daunenjacke und ausladendem Fischerhut kam James Ferraro nach Köln, um das Publikum daran zu erinnern, was es vergangenen Sommer falsch gemacht hatte. Nicht nur vergangenen Sommer. Mit seiner Musik macht James Ferraro einen Zustand der Gesellschaft hörbar – und es fröstelt den Hörer, weil er weiß, dass der Musiker aus New York City Recht hat, und weil der Hörer begreift, dass er mit zu dieser Wahrheit beiträgt.

Eine Messe für Gottlose
James Ferraros Musik ist eine Collage aus MacBook-Sprachwiedergabe-Samples, artifiziellen Kloing- und Boing-Geräuschen und vor allem Synthies. Synthies, die in ihren Harmonien klingen wie Orgeln. Orgeln aus Plastik. So klingt ein Auftritt von Ferraro wie eine Messe für Gottlose, die nur noch Götzenbilder anbeten: Klunker, Sexyness, die ewige Schönheit. Das Swarkovski-Logo und Dollar-Scheine erscheinen auf der Projektion an der Wand hinter Ferraro. Seine Musik zeichnet ein Bild einer Menschheit, in der Chirurgie die Natürlichkeit überlagert hat, Virtualität das Sein, und Kultur nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, weil sie nicht mehr wirklich existiert, sondern nur noch von den stereotypen Ansichten der Menschen als typisierter Holzschnitt weitergegeben wird. In James Ferraros Collagen liegen die Gegensätze dicht beieinander.

Pissflecken und Kippenstummel
Genau deshalb war der Veranstaltungsort an diesem Abend perfekt für seinen Auftritt geeignet. Das Gold + Beton liegt unter dem Ebertplatz in Köln; ein hässlicher Platz aus siffigem Stein, wo der Uringeruch in der Luft nach Mensch riecht und die Gebäude nach den architektonischen Verbrechen der 70er aussehen. In dieser Tristesse hat im vergangenen Spätsommer mit dem Gold + Beton ein Raum für junge Kultur eröffnet. Das Rauminnere und die Pissflecken und Kippenstummel trennt nichts als eine Glasfront. So stand an diesem Abend innen James Ferraro, das MacBook in einem schwarzen Koffer, der genauso gut eine M-16 beinhalten hätte können, und um ihn herum die jungen Kultur-Schaffenden und Kultur-Saugenden Kölns. Direkt daneben, hinter der Glasscheibe: Alexander, ein Obdachloser, hält eine Flasche Wodka in der geschwollenen Hand. Dieses direkte Nebeneinander von Gegensätzen hätte den Auftritt von James Ferraro nicht besser einrahmen können.

Irgendwie postapokalyptisch
Auch, dass im Gold + Beton Kultur unter der Erde gelebt wird, lässt sich perfekt mit der Musik von James Ferraro verbinden. Denn Kultur, die unter der Erde stattfindet oder stattfinden muss – das ist ein beliebtes Szenario von Filmen mit postapokalyptischem Plot. Und auch Ferraros Musik ist irgendwie postapokalyptisch, wenn sie verdeutlicht, dass wir zwar noch überirdisch leben könnten aber selbstbestimmt im WWW versinken. Das alles hört sich nicht an, als wäre dieses Konzert eine Freude gewesen? Richtig so. War es auch nicht. Es war unerträglich. Der winzige Raum, in dem trotzdem alle rauchten, stickige Luft, Musik, die der Rhythmus zum Tanzen fehlte. Und so musste es sein. Denn wer denkt schon über vergangenen Sommer nach, wenn er in diesem einfach nur eine verdammt gute Zeit hat?