Review Jazz

Web Web

Worshippers

Compost • 2020

Ein schummriges E-Piano-Intro, das nach dem Jahr 1971 klingt, eine Stimme, die von einem flirrenden Wüstenwind von weither herangetragen zu werden scheint. – »Free AM« ist nicht unbedingt ein Song, wie man ihn von einem deutschen Jazz-Quartett im Jahr 2020 erwartet. Web Web allerdings ist nicht irgendeine Bop-Kapelle. Die Band gilt als Supergroup des deutschen Jazz. Tony Lakatos (Sax, Flöte), Christian von Kaphengst (Bass) und Peter Gall (Drums) sind allesamt Koryphäen auf ihrem Instrument. Bandleader Roberto Di Gioia ist einer der gefragtesten Studiopianisten des Landes. 2019 war er dabei, eine neue Soloplatte von Joy Denalane zu produzieren, während er zeitgleich am dritten Web-Web-Album werkelte. Die Soul- und R&B-Sängerin wurde folglich zu Improvisationen dazu geladen, und ihr lautmalerischer Gesang, der an die junge Dee Dee Bridgewater erinnert, ist hier tatsächlich das i-Tüpfelchen. Denn Web Web ist ein ausgeruht-psychedelisches Spiritual-Jazz-Gesamtkunstwerk gelungen. »Worshippers« ist ihr zugänglichstes und bestes Album bislang, garniert mit ausladenden Streicher-Intros (Alice Coltrane!) und brillanten Flöten-Soli (Yusef Lateef!). Dazu stets im Hinterkopf: Sun Ra und John Coltrane. So erinnern Web Web zuweilen an die Retro-Ausflüge eines Matthew Halsall – nur wird dieser Seventies-Sound hier weit konsequenter zelebriert, und vor allem: aufregender.